„Großartig wieder aufgebaut“ – Der Wirt in Obergeislbach

 

 

Wirtsgebäude vor dem Abriss 2001

Foto: Herbert Peter

Gemeindearchiv Lengdorf
Aufgelassene Gastwirtschaften

Autorin: Angela Greimel, 2022

 

Im Jahr 1866 kaufte Anton Rutzmoser, alter Schmied und Austrägler von Kuglern, das Schmiedanwesen mit Landwirtschaft in Obergeislbach und übergab es seinem 21-jährigen Sohn Anton. Das Haus brannte 1870 ab und wurde 1871 „großartig wieder aufgebaut“, wie der Pfarrer von Walpertskirchen vermerkte.

Es entstand ein beeindruckender Bau, der für die damalige Zeit in der ganzen Umgebung seinesgleichen suchte. Im Jahr der Fertigstellung 1871 erhielt Anton Rutzmoser die Wirtsconcession. 1872 schloss er die Ehe mit Therese Lex, Grubbauerstochter von Finsing.

1895 war das Anwesen in den Besitz der Geschwister Ferdinand, Ludwig und Alexander von Moreau, sowie der Freifrau Marie von Pfetten übergegangen. Pächter war zu dieser Zeit Michael Auer aus Kopfsburg.
Eine ausführliche Beschreibung des Gasthauses anlässlich einer Besichtigung durch die Königl. Bezirkskommission Erding am 8. Juli 1895 erlaubt uns einen Blick in das Gasthaus zu werfen:

„Ein geräumiger Hausgang mit zwei großen Tischen und zugehörigen Bänken. Links führt die Türe in das geräumige Gastzimmer von ca. 40 m2 mit sechs Fenstern. Beheizt wird mit einem Kachelofen. Gegen Osten befinden sich zwei Wohnräume der Wirtsleute. Ein Zimmer gegen Norden mit zwei Hackstöcken. Es dient zum Aushacken von Fleisch und zur Wurstfabrikation. Gleichzeitig ist es das Schlafzimmer der Dienstmagd. Nach Angabe des Wirtes schlachtet er nur sehr wenig, da sein Bruder in der Nachbarschaft das Metzgerhandwerk ausübt. Fleisch wird überhaupt nicht verkauft. Es gab eine Speis zur Aufbewahrung von Milch und Fett.
Im 1. Stock ein großer Tanzsaal mit 75 m2 und daneben eine sehr helle und geräumige Hochzeitsstube mit 55 m2. Außerdem im 1. Stock ein Handwerksburschenzimmer und zwei weitere Räume mit je zwei Betten.
Ein guter neu angelegter Eiskeller ist vorhanden. Die Abortlokalitäten befinden sich nicht im Haus. Hinter dem Haus sind diese neu und entsprechend angelegt. In der Nähe desselben ist ein Platz zum Herrichten der dort geschlachteten Tiere.“

1904 erwarb Josef Linner, Brandmaiersohn in Holz, Pf. Lengdorf, das Wirtsanwesen. 1926 war der Eigentümer Michael Grünwald. Ihm folgte sein Sohn Otto. Pächterin war ab 1947 Anna Bitzer. Sie und ihr Mann Jakob kauften 1950 /51 das Gasthaus.

Viele Jahrzehnte war der Wirt gesellschaftlicher Mittelpunkt des Ortes. Die Männer trafen sich am Stammtisch. In frühen Jahren wurde dort das Bier in Maßkrügen geholt und nach Hause getragen. Man traf sich zu Festen und Feiern und er war Heimat für den Schützenverein. Es gab ein öffentliches Telefon. Neben der Haustüre war der Feuermelder und auf dem Dach die Sirene angebracht.

Mehrere Jahre stand das Gasthaus leer, bevor es 2001 abgerissen wurde. Damit endete nach 130 Jahren die Geschichte des Wirtes von Obergeislbach.

Angela Greimel, 2022