Wie fing die Geschichte Lengdorfs an?

Historisches 7Erste Erwähnung Lengdorfs in den Traditionen des Klosters Weihenstephan

Erste Erwähnung Lengdorfs in den Traditionen des Klosters Weihenstephan (7.Zeile von unten)

Original Traditionen des Klosters Weihenstephan in der Bayer. Staatsbibliothek München

Beitrag erschienen in „Lengdorf 1090-1990“

Herausgeber Gemeinde Lengdorf 1990

Autor: Herbert Dahlmann

 

 

 Ein altes Schriftstück - erste Kunde von Lengdorf

Urkunden, Inschriften und andere schriftliche Unterlagen sind es, die über die Geschichte eines Ortes Auskunft geben. Dies trifft auch auf unseren Heimatort zu. Das „altadlige Geschlechte der Edlen von Lengindorf“ beurkundet sich schon um 1090, indem Isanrich de Lengindorf als Zeuge in einer Schenkungs-Urkunde des Klosters Weihenstephan „vorkömmt“.

Urkunden, Inschriften und andere schriftliche Unterlagen sind es, die über die Geschichte eines Ortes Auskunft geben. Dies trifft auch auf unseren Heimatort zu. Das „altadlige Geschlechte der Edlen von Lengindorf“ beurkundet sich schon um 1090, indem Isanrich de Lengindorf als Zeuge in einer Schenkungs-Urkunde des Klosters Weihenstephan „vorkömmt“. Dieses Zitat stammt aus der im Jahr 1856 von Bernhard Zöpf geschriebenen „Historisch-topographischen Beschreibung des K. Landgerichts Erding“. Danach feiert Lengdorf im Jahr 1990 sein 900jähriges Bestehen.

Dieses Jubiläum ist Anlass genug, das originale Schriftstück näher anzuschauen. Man findet es in den „Traditionen des Klosters Weihenstephan“ in der Bayerischen Staatsbibliothek München. Dies ist ein Buch von 28 cm Höhe und 18 cm Breite, eingebunden mit lederbezogenen Holzdeckeln. Von den damals angebrachten Messingschließen sind nur mehr Reste erhalten. Insgesamt enthält der Band 325 auf Pergament geschriebene Aufzeichnungen, die in der Zeit von 1021 bis etwa 1230 n. Chr. entstanden sind. Sie enthalten meist Übergaben (= Traditionen) von Anwesen an die Kirche. Auch einige Prozessnotizen und Weitergaben eben dieser Traditionen sind zu finden. Schriftstücke aus dieser Zeit wurden bis ins 12. Jahrhundert in der lateinischen Sprache abgefasst.

Gemäß dem Originaltext überträgt der Edle Tagino aus Biberbach (Landkreis Dachau) durch seinen Bruder Altmann am Altare des heiligen Stephan ein Anwesen. Dies besaß die Größe einer halben Hube und lag in Melten, in der Nähe Bozens. Es geschah für das Seelenheil seines Vaters, seiner Mutter, für sich selbst und alle Verwandten zu einem Preis von acht Pfund. Wer immer das Gut besitzen wird, hat dem Besitzer u.a. ein Fuder Wein, zwei Maß Weizen, drei Maß Gerste, einen Hammel, zwei Käse und einen Ziegenbock abzuliefern sowie die üblichen Dienste zu leisten. Als Zeugen dieser Tradition sind Isanrich de Lengindorf und 13 andere Personen angeführt.

Auffallend ist die Zweiteilung des Schriftstückes. Zu Beginn steht der Vorgang, um den es sich in dem vorliegenden Falle handelt. Ohne Einleitung und Gruß ist der Name des Tridenten (= Übergebers) Tagino angeführt. Dagegen fehlt die Angabe des Empfängers. Indirekt erfährt man trotzdem, wer das Gut erhält. Es ist das Kloster Weihenstephan. Die Bemerkung „ad altare sancti Stephan“ (=zum Altar des Hl. Stephan) gibt den Ort der Handlung und den Empfänger an. Nicht umsonst wurde diese Formulierung gewählt; verlieh sie doch der Handlung einen besonderen symbolischen Wert.
Der zweite Teil des Schriftstückes enthält 14 Namen von Personen. Gemäß germanischem Brauch, die Gültigkeit einer Rechtshandlung, in diesem Falle eines Testaments, von Zeugen (testes) abhängig zu machen, sahen sich die geistlichen Instanzen genötigt, solche Personen namentlich aufzuführen, und zwar je mehr, desto besser. Es gibt Schriftstücke mit über 100 Namen. Die Traditionen dienten bei einem Rechtsgeschäft nämlich der schriftlichen Festhaltung von Zeugen, um diese bei eventuellen Streitfällen namhaft zu machen. Die Traditionen sind also keine Urkunden. Dazu fehlen ihnen die sonst üblichen Formeln und das Siegel. Sie sind nur „notitiae“, Notizen und Merkhilfen. Starb folglich ein Zeuge, wurde er oft auch in der Tradition gelöscht.

Da die vorliegende Tradition mehr oder weniger nur den Zeugennachweis darstellt, ist es verständlich, dass man sich bei der Niederschrift auf das Nötigste beschränkte: auf den Rechtsvorgang und auf die Namen der Zeugen. So fehlt auch, allein von unserem Standpunkt als wichtig angesehen, das Datum. Das Schriftstück lässt sich deshalb nur indirekt einordnen, z.B. in Anlehnung an ein bestimmtes Ereignis oder durch die Nennung einer Person, deren Lebensdaten bekannt sind. Die Datierung der vorliegenden Tradition ergibt sich aus der Amtszeit A. Erchangers; Da der Vogt Ekkhardt nicht mehr genannt wird, muss dessen ganze Sedenzzeit angesetzt werden. A. Erchanger war von 1082 bis 1099 Abt des Klosters Weihenstephan. Während dieser Zeit ist das vorliegende Schriftstück entstanden. Somit lässt sich die erste schriftliche Erwähnung Lengdorfs nicht auf ein bestimmtes Jahr, sondern nur auf den Zeitraum festlegen.

Selbstverständlich ist es müßig, aus der ersten schriftlichen Erwähnung eines Ortes annähernd auf die Zeit seiner Entstehung zu schließen. Alle in den Traditionen altbayerischer Klöster genannten Ansiedlungen werden immer schon als bestehend angegeben. Kein Hinweis ist zu finden, dass die Orte zur Zeit ihrer Erwähnung im Entstehen begriffen sind. Gründungsurkunden oder Ereignisse, wie sie z.B. auf die Entstehung Münchens zutreffen, sind selten. Es liegt in der Natur der Sache, dass Rechtsgeschäfte wie Güterschenkungen, ebenso auch die Angabe eines Herkunftsortes wie bei Isanrich aus Lengindorf, nur möglich waren, wenn eine Siedlung schon vor der Zeit einer schriftlichen Erwähnung bestanden hat.

Eine solche Nennung gibt also nur einen Anhaltspunkt für das Alter einer Siedlung an. Zudem muss auch in Betracht gezogen werden, dass mancher Ort keinen Anlass für einen schriftlichen Akt gab. War dies doch der Fall, wird manches Papier im Laufe der Jahrhunderte verloren gegangen sein. Weiterhin ist zu beachten, dass die Traditionen nur klösterliche Rechtsgeschäfte enthalten. Da der größte Teil weltlicher Schriftstücke erst später datiert ist, fehlen Aktionen, die nicht mit Klöstern in Verbindung stehen. Der Zufall spielt also bei der schriftlichen Datierung eines Ortes eine große Rolle.